Leserbrief

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vom 10.01.2012

Das alte Opfer-Täter-Spiel als Taktik des Ablenkens

Betrifft: Artikel »Ziel von Aggressionen aller Art» (EJZ vom 21. Dezember)

Wieder einmal haben es die Mastanlagenbetreiber geschafft, mich in Erstaunen zu versetzen. Welch geistige Brillanz und rhetorische - oder, um es mit ihren Worten zu umschreiben, propagandistische - Genialität sie doch an den Tag legen können, wenn es darum geht, das eigene Portfolio aufzufüllen! Ganz erstaunlich.

Fast wäre ihr Versuch gelungen, mich glauben zu machen, wie sehr es ihnen als Tierfreunden am Herzen liegt, für das Wohl der ihnen anvertrauten Lebewesen Sorge zu tragen.

Dabei geben sie sich in ihren Anlagen augenscheinlich ja die größte Mühe: gesellige Gemütlichkeit bei Bestandsdichten von bis zu 26 Tieren pro Quadratmeter, kulinarischer Genuss durch industriell aufbereitetes Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt, damit die lieben Tierlein auch schön dick, rund und - nicht zu vergessen - glücklich werden, harmonisches Zusammenleben, in dem auch rangniedrige Genossen nicht zu leiden haben, indem man besagte Hühner schon im Kindesalter von lästigen Schnabelspitzen befreit. Angst vor mangelnder Altersvorsorge? Angesichts der kurzen Lebenserwartung nichtig. Nach 30 bis 35 Tagen bei einem Idealgewicht von 1,4 bis 1,6 Kilogramm dürfen sie ihre letzte Reise antreten. Mit kurzem Zwischenstop im Schlachthof kommen sie als knusprige Brathähnchen frisch und lecker und vor allem billig auf den Teller der deutschen Verbraucher geflogen. Täter? Höchstens die Maschine, die dem glücklichen Huhn das Leben nahm.

Glücklicherweise aber ist auch uns Verbrauchern ein gewisses Maß an geistigem Vermögen geblieben, und ich konnte im letzten Moment doch noch erkennen, dass es da einen Haken an der Sache geben muss. Und tatsächlich! Da stößt man über gewisse Suchmaschinen auf Quellen, die einem weismachen wollen, dass es zu den Grundbedürfnissen eines Huhnes gehört, scharrend, suchend und pickend seine Umgebung zu erkunden, sich dem Sandbaden und der Körperpflege zu widmen, und dass vor allem Ruhe (bei etwa 10000 Tieren pro Bestand wohl schwer zu gewährleisten) essentiell wichtig sei, um durch Schlafmangel bedingten Dauerstress zu vermeiden.

Nanu? Soll das nun bedeuten, dass unsere armen Hühner doch Opfer in den Klauen profitgieriger Investoren sind? Das wäre ja skandalös, nicht wahr, liebe ach so tierfreundliche Mastanlagenbetreiber?

Also was tun? Politisch bewährt hat sich seit langer Zeit die Taktik des Ablenkens. Ein neuer Täter muss her. Wie praktisch, dass es da Leserbriefschreiber gibt, auf die man diese Rolle abwälzen kann. Aber, liebe Herren, ich verbitte mir an dieser Stelle, öffentlich als ,,Hetzer» und »Brandstifter» beschimpft zu werden, wenn ich lediglich per Leserbrief über oben beschriebene Missstände in Mastanlagen aufkläre. Bertholt Brecht fasste einst schön in Worte: »Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.» Unrecht ist, Tiere unter nicht artgerechten Bedingungen zu halten, Unrecht ist, unbescholtene Bürger öffentlich zu beleidigen und zu verleumden.

Wer sind in diesem Spiel die wahren Täter?

Andrea Küper,
Beesem

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