Leserbrief

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vom 06.12.2011

Keine Einzel-, sondern Regelfälle

Betrifft: Artikel »Antibiotika in fast allen Hähnchen» (EJZ vom 16. November)

Über 96 Prozent der untersuchten Masthähnchen in Nordrhein-Westfalen enthalten Antibiotika, obwohl diese Medikamente nur zur Behandlung kranker Tiere, also nicht vorbeugend, eingesetzt werden dürfen. Bei über 1000 untersuchten Ställen kann nicht mehr, wie sonst üblich, von »bedauerlichen Einzelfällen» gesprochen werden, sondern es ist offenkundig der Regelfall.

Auch in Niedersachsen wird sich die Quote nicht wesentlich unterscheiden. Der Grund ist einfach und allen Sachkundigen seit Langem bekannt: Die hohe Besatzdichte in den industriemäßigen Mastanlagen und eine Zuchtlinie, die nur auf eine schnelle Gewichtszunahme angelegt ist, führen zu Dauerstress und Hyperempfindlichkeit der Tiere. Sie sind tatsächlich zu einem großen Teil psychisch und physisch krank. Der Betreiber, der seinerseits unter enormem Preisdruck steht, kann und will den Totalverlust seiner Herde nicht riskieren und setzt zwangsläufig Antibiotika ein - ganz legal.

Dass damit auch in der Humanmedizin die schärfste Waffe gegen bakterielle Erkrankungen stumpf wird, ist die unmittelbare Folge. Nicht ohne Grund verweist das Robert-Koch-Institut in diesem Zusammenhang auf jährlich 15000 Tote wegen multiresistenter Keime.

Auch wenn nicht alle Todesfälle der Hähnchenindustrie angelastet werden dürfen, so ist doch ein enger Zusammenhang nicht zu bestreiten und wird auch vom Zentralverband der Geflügelwirtschaft nicht geleugnet. Das heißt mit anderen Worten: Die Geflügelindustrie und ihre Förderer in der Politik nehmen den Tod zahlreicher Menschen bewusst in Kauf! Mögen Juristen entscheiden, ob hier Körperverletzung, fahrlässige Tötung beziehungsweise Beihilfe dazu vorliegt, eine bodenlose Verantwortungslosigkeit ist es allemal. Die von Verbraucherministerin Aigner angekündigte Datenbank zur Erfassung des Arzneimittelverbrauchs auch für Geflügel kann da nur als schlechte Beruhigungspille eingestuft werden, die in der Sache selbst nicht das Geringste ändern wird - Begründung siehe oben.

Der Verbraucher sollte also nicht auf neue Verordnungen warten, sondern beim Einkauf selbst Verantwortung übernehmen für sich und seine Familie. Dazu gehört auch, die speziell bei Kindern so beliebten »Chicken nuggets» und andere Geflügel-Fertigprodukte zu meiden. Geflügel aus artgerechter Tierhaltung ist zwar etwas teurer, aber so viel sollte einem die Gesundheit der Familie schon wert sein.

Johann E. P. Strauß,
Leisten

 

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